Kino

„Wochenendrebellen“ - eine wahre Familiengeschichte

Ein Vater machte sich mit seinem autistischen Sohn auf die Suche nach dessen Lieblingsfußballclub - und reiste dafür zu Spielen quer durchs Land. Der Regisseur Marc Rothemund hat die Geschichte verfilmt.

Von Jacqueline Melcher, dpa
21. September 2023
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Florian David Fitz (r) als Mirco und Cecilio Andresen als Jason im Film „Wochenendrebellen“.

Florian David Fitz (r) als Mirco und Cecilio Andresen als Jason im Film „Wochenendrebellen“.

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Fangegröle, Bierduschen, Menschenmassen - für einen Zehnjährigen mit Autismus ist ein Besuch im Fußballstadion eigentlich alles andere als angenehm. Aber wie soll Jason sich schon für einen Lieblingsverein entscheiden, ohne die Heimstadien aller 56 deutschen Erst-, Zweit- und Drittligisten zu besuchen?

In „Wochenendrebellen“ nehmen Florian David Fitz („Oskars Kleid“), Aylin Tezel („Am Himmel der Tag“) und Newcomer Cecilio Andresen Zuschauer mit in eine ganz besondere Familiengeschichte, die gerade deswegen so berührt, weil sie so oder so ähnlich tatsächlich passierte.

Der Film von Regisseur Marc Rothemund („Dieses bescheuerte Herz“ und „Sophie Scholl - Die letzten Tage“) beruht auf den realen Abenteuern von Mirco von Juterczenka und seinem autistischen Sohn Jason. Um Jasons Lieblingsclub zu finden, reiste das Duo ab 2012 zu Fußballspielen durch Deutschland und Europa und hielt alle Erlebnisse in einem eigenen Blog fest. Aus dem Blog entstand zunächst ein Buch - und daraus nun ein Film.

Fußballspiele als Ventil

Fitz spielt darin einen gut meinenden, aber überforderten Vater, der beruflich viel unterwegs ist. Seine Frau Fatime (Aylin Tezel) organisiert währenddessen das Familienleben mit zwei Kindern - und gerät dabei immer mehr ans Ende ihrer Kräfte.

Denn Fatime versucht alles, um ihrem Sohn Rückhalt zu bieten - doch vor allem in der Schule hat der es nicht leicht. Die vielen Geräusche auf dem Schulhof irritieren ihn, seine Mitschüler beleidigen ihn als „Depp“ oder „Spasti“, und als seine Lehrerin im Religionsunterricht von biblischen Wunderheilungen erzählt, platzt Jason der Kragen: das sei „Quatsch“, und „medizinisch nicht möglich“ - und überhaupt lasse er sich „von einer Verschwörungstheoretikerin nichts sagen!“. Nachdem Jason einem Klassenkameraden bei einem Wutausbruch auf die Hand tritt, droht ihm der Wechsel auf eine Förderschule.

Kurz darauf wird Jason von den anderen Kindern in der Schule nach seinem Lieblingsfußballclub gefragt. Zur Beantwortung dieser Frage will er sich Heimspiele aller 56 deutschen Erst-, Zweit- und Drittligisten live im Stadion anschauen - und Vater Mirco macht mit ihm einen Deal aus. Er geht mit ihm auf die aufwendige Recherchereise nach dem Lieblingsverein, wenn Jason sich dafür in der Schule nicht mehr provozieren lässt. An den Wochenenden lassen die zwei fortan die heimische Ordnung hinter sich und reisen zu Fußballspielen quer durchs Land.

Mitarbeit am Drehbuch

Der Film gibt einen herzergreifenden Einblick in Jasons Sicht auf die für ihn oft so laute, hektische, unverständliche Welt. Aber auch das Innenleben der erschöpften Mutter und des oft überforderten Vaters stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Die Mitarbeit von Jason und Mirco von Juterczenka am Film dringt in vielen Szenen durch - was bei einem so sensiblen Thema auch durchaus wichtig ist.

„Vor allem, wenn man etwas über Autismus erzählen möchte, muss man präzise erzählen“, sagte Fitz im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Deswegen sei es so wichtig gewesen, dass Jason und seine Eltern in die Arbeit am Drehbuch und darüber hinaus involviert waren. „Wenn wir irgendetwas geändert haben, wurde das immer zurückgespielt: Kann man das sagen? Stimmt das überhaupt?“, so Fitz. „Da gab es immer Feedback, vor allem von Jason selber: Das würde er nie machen, das würde er so machen. Das war ganz wichtig.“

Tezel habe sich im Vorfeld auch mit Fatime, der Mutter von Jason, ausgetauscht, sagte die Schauspielerin der dpa. „Das Wichtige bei dieser Rolle war für mich, dass man zwar auf der einen Seite erzählt von einer Mutter mit einem riesen Löwenherz, die eine unfassbare Liebe für ihre Kinder hat, und aber eben auch von einer Frau, die an ihre Grenzen kommt und überfordert ist und einfach nicht mehr kann“, erklärte Tezel.

Vater-Sohn-Duo mit Fangemeinde

Gleichzeitig sei aber auch klar, dass es sich ein Stück weit trotzdem um fiktive Figuren handele. „Auch wenn viele Dinge, die wir im Film erzählen, passiert sind, gibt es Momente oder Dialoge, die nicht eins zu eins so geschehen sind, die aber hätten so geschehen können“, sagte Tezel.

Die originalen „Wochenendrebellen“ zeigen sich online mit dem Endergebnis von Drehbuchautor Richard Kropf zufrieden. „Ihm ist es gelungen, für uns schon fast gruselig nah an der Geschichte festzuhalten, nicht im Buch „Wir Wochenendrebellen“ enthaltenen Input von Jason mit einzuarbeiten und trotzdem an für uns ganz persönlich wichtigen Stellen zu fiktionalisieren ohne unrealistisch zu werden“, heißt es auf deren Internetseite. Das Vater-Sohn-Duo hat sich durch den eigenen Blog und Podcast online längst eine Fanbase aufgebaut, die nun erwartungsvoll auf den Filmstart wartet.

Neben Fitz, Tezel und Andresen sind auch Joachim Król („Der Junge muss an die frische Luft“), Leslie Malton („Der große Bellheim“) und Milena Dreißig („Stromberg“) in der neuen Produktion von Leonine Studios zu sehen.

- Wochenendrebellen, Deutschland 2023, 109 Min., FSK ab 6 Jahren, von Marc Rothemund, mit Florian David Fitz, Cecilio Andresen, Aylin Tezel, Joachim Król.

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